"Werther"

(nach Johann Wolfgang von Goethe)

Alte Feuerwache / Saarländisches Staatstheater Saarbrücken
Bühne: Claudia Rohner
Kostüme: Angela C. Schuett
Darsteller: Gertrud Kohl, Dorothea Lata, Florian Steiner, Ron Zimmering
Premiere: 17. Januar 2009

Die Briefe des toten Werther. Seine unglückliche Liebesgeschichte. Die Untersuchung der Frage: Was ermöglicht ein geglücktes Leben (nicht)? Ein Lebensgemälde von vier Desillusionierten, Pragmatikern oder Suchenden (Werthers Mutter, Albert, Lotte, Werther), die von Werthers maßlosem Verlangen nach Liebe in ihren Haltungen zum Leben erschüttert werden.

"Regisseur Martin Pfaffs Inszenierung für die Alte Feuerwache aber beschwert sich nicht mit Nostalgie. Er zertrennt die Zeitstränge. Seine „Werther“-Fassung gründet im Aktuellen. Dazu beschränkt er sich aufs nötigste (von Angela C. Schuett zeitgenössisch eingekleidete) Personal: Werther, Lotte, Albert und (Werthers) Mutter. Er verteilt und montiert seine Textauswahl so geschickt auf alle, das Goethes Worte unerhört modern und doch „ergetzlich“ klingen. Zentral für Pfaffs Regie aber ist das Bühnenkonzept (Bühnenbild: Claudia Rohner). Eine Art großes, schräg gestelltes Trampolin wird zum Spielfeld. Und dient zugleich als Netz, das jeden Überschwang abfedert. Bis zu Werthers Freitod. Dann wird es gekappt: Albert und Lotte landen plötzlich auf dem harten Boden der Realität. Auf ihrem Riesen-Trampolin aber springen, laufen, liegen, lieben die drei Jungen. Angefeuert von den Beats der Bühnenmusik. Höchst impulsiv, diese Dreiecksgeschichte, die das Trio „vorturnt“ (die Produktion nötigt einem schon ob der körperlichen Anstrengung der Schauspieler Respekt ab). Ja, hier schlagen die Gefühle Purzelbaum. Und schwer kann man sich ein treffenderes Bild denken, für das, was in Werther, in Lotte und auch in Albert vorgeht. Den spielt Ron Zimmering übrigens erfreulich emotional: Dieser Albert ist kaum weniger Gefühls-gepusht als Werther. Allein, er sieht die Welt realistischer. Nur die Mutter steht oft am Rande des Netzes. Erwachsen, vernünftig blickt sie auf die Kindsköpfe. Bei ihr, Symbolfigur der älteren Generation, ist dieser Bewegungsturm der jüngeren längst ermattet. Ihr fallen auch die Worte zu, die die Springinsfelde mäßigen sollen. Gertrud Kohl sagt das aber mit sanfter Ironie, mit einer Milde, in der Erinnerung schwingt: Sie hat eben nicht vergessen, sie war selbst mal jung. Letztlich ist Lotte Dreh- und Angelpunkt des Ganzen. Werther liebt sie, Albert, den Solideren, wird sie heiraten. Natürlich, wie eine normale junge Frau von heute, spielt Dorothea Lata Lotte. Und ist darum so überzeugend. Sie will nicht Spielball der Männer sein. Es gefällt ihr auch, begehrt zu sein. Sie neckt, sie (ver-)lockt, sie kämpft. Und ihre Unbekümmertheit, ihre Lebenslust wirkt lange wie eine Medizin, die Werthers Daseins-Zweifel dämpft, aber nie kuriert. Florian Steiner verfällt als Werther selten ins hemmungslose Schwärmen, ins Träumen. Jagt er übers Trampolin, ist er bei sich. Dann kann sich der Gefühlssturm austoben. Kommt er aber zur Ruhe, zerreißt es ihn innerlich. Steiner muss dazu nicht schreien, oder Haare raufen. Er zeigt das auch mit kleinem, feinem Spiel, findet sogar einen bemerkenswert reflektierenden Ton. Dann steht dieser Werther neben sich und staunt: Was passiert mit mir? Nicht selten wird in der Feuerwache auch parallel gesprochen, manches gebrüllt, verschrien. Ja, da leidet schon mal die Verständlichkeit. Aber all das fügt sich nicht nur schlüssig in Pfaffs Regie, es ist zwingender Teil einer rundum überzeugenden Inszenierung."
(Saarbrücker Zeitung)

"Der Beginn ist grandios. Zu den harten Klängen des amerikanischen Rappers Eminem springt Werther in Saarbrücken in ein Netz. In eine Art Trampolin, das schräg nach oben steht und die gesamte Bühne der Alten Feuerwache ausfüllt. Er, Werther, alias Florian Steiner, vollführt nun darin einen Tanz, voller Energie, fast wie ein Akrobat, und er setzt damit gleich zu Anfang ein Zeichen. Das Zeichen dafür, dass er mit allen Fasern seines Wesens bereit ist, sich auf unsicheres Terrain zu begeben: Das Terrain der Gefühle. Das Netz, das Regisseur Martin Pfaff gemeinsam mit Bühnenbildnerin Claudia Rohner geschaffen hat, bleibt über den ganzen Abend das absolut sinnfällige Bild dafür, dass dieser Werther nie wirklich festen Boden unter den Füßen hat und dafür sorgt, dass es den Menschen um ihn herum auch so geht. Als Werther sich erschießt, treten folgerichtig die Bühnenarbeiter auf, um „sein“ Netz mit ein paar wohlgesetzten Gesten abzubauen. (...) Es hat nun bis heute auch schon so einige Bühnenfassungen gegeben - für Saarbrücken schuf Regisseur Martin Pfaff eine neue. Er schrieb den Roman in ein Stück in drei Akten um, indem er den Originaltext geschickt neu montierte und auf vier Personen verteilte. Außer Werther treten auf: Lotte, Werthers Geliebte, Albert, deren Verlobter und Werthers Mutter. Sie treten nacheinander ins Geschehen ein, begeben sich alle, außer der Mutter, mit ins Netz. An drei Stellen gibt es zwar kurze Einsprengsel von anderen Autoren, hier und da arbeiten Regisseur Pfaff und sein Team mit Musik von Björk oder eben dem Rapper Eminem, aber in der Hauptsache vertraut Martin Pfaff Goethes Text. Und so kommt es, dass dies ein Abend für die Ohren ist. Man schwelgt förmlich in den so schön gesetzten, so schön gesprochenen Worten. Und gleichzeitig bleibt das Auge fasziniert von dem Bühnenbild mit dem Trampolin-Netz, hinter dem später auch ein feiner Regen niedergeht und dabei sehr geschickt die hohen charakteristischen Fenster der Alten Feuerwache in Szene setzt. Und dennoch bleibt da eine deutliche, eine fast schmerzliche Distanz."
(S3 Saarlandwelle)

"Trotz spärlicher sprachaktueller Anleihen erstaunlich modern wirkende Goetheprosa. Das dynamische, gehaltvolle Darstellerspiel trägt wesentlich dazu bei. Inspirierender Theaterabend für alle."
(Saartext)

"Ein sehr feiner, zärtlicher, tiefer Abend. Null oberflächlich. Null eitel. Verletzlich. Sanft. Auch schwer. Anstrengend. Herausfordernd. Auseinandersetzend. (...) Man muss sich öffnen. In den Dialog mit Werther gehen."
(Zuschauer-Kommentar)