"Charleys Tante"

(Brandon Thomas)

Landestheater Detmold
Bühne und Kostüme: Sabine Pommerening
Darsteller: Philipp Baumgarten, Helene Grass, Christoph Gummert, Henry Klinder, Kerstin Klinder, Ewa Rataj, Jürgen Roth, Joachim Ruczynski, Karoline Stegemann, Roman Weltzien
Premiere: 14. November 2014

„Charleys Tante“ - eine der berühmtesten und ältesten Komödien des Theaters. Mit allem, was dazu gehört: Typen, Klischees, Normen, Peinlichkeit, Egoismus, Gier nach Geld, Liebe und Freiheit. Dazu eine Menge an Hochmut, der zum kräftigen Fall führt. Als heimliche Werte-Basis von allem: Die Lüge, die nicht auffliegen darf. Der common sense der bürgerlichen Gesellschaft: „Sei ein Arsch, aber lass es nicht rauskommen!“ Oder: „Gut, wenn wir uns alle gegenseitig einreden, wie seien glaubhaft.“ Das Leben - eine Farce.

"Eine Farce, in der eine Notlüge immer neue Finten und Maskeraden nach sich zieht, besitzt durchaus zeitloses komisches Potential. Und das reizt Regisseur Pfaff von diesem Punkt an voll aus und setzt das Räderwerk der Komödie zielsicher in Gang. Gut: Pfaff beschwört kein Dragqueen-Drama, sondern betont in seiner Inszenierung das Komische an der ehrlichen Not von „Babbs“, seinen Freunden Jack und Charley, wenn auch widerwillig, helfen zu müssen. Für Roman Weltzien wird die Partei der falschen Tante zur echten Paraderolle. Zu sehen, wie er die Röcke rafft und mit burschikosen Schritten die Bühne quert, wie er in Gesellschaft der hübschen jungen Damen Anny (Ewa Rataj) und Kitty (Karoline Stegemann) aufblüht, um sich bei den liebestollen Annäherungsversuchen seines Verehrers, Advokat Spettigue (Jürgen Roth), vor Pein zu winden, ist ein echter Spaß. (...) Ausstatterin Sabine Pommerening „malt“ Kostüme und Bühne eine Spur zu schön, als dass sie real durchgehen könnten. (...) Hochglanz-Kulisse für professionell auf den Punkt gebrachten Klamauk. Der ja zweifelsohne herrlich unterhaltsam sein kann. Das Publikum spendete viel Applaus. "
(Lippische Landeszeitung)

"Ums kurz zu machen: am Ende der Komödie ergeben sich vier Paare; doch bis dahin hat der Zuschauer einiges zu lachen angesichts all der versuchten Schummeleien und vollendeten Täuschungen, der gestörten Tête-à-têtes und der begehrlichen Verfolgungsjagden, der Versteckspiele und der Beinahe-Aufklärungen von Geheimnissen. Und vor allem: angesichts der ganzen Verwechslungen und Missverständnisse rund um die falsche Tante – die sich natürlich noch einmal steigern, als auch noch die echte Tante (Kerstin Klinder als ruhender Pol in dieser ganzen Turbulenz) dazu kommt. (...) Zum Glück macht Martin Pfaff, der Detmolder Regisseur, erst gar nicht den Versuch, diese Knallkomödie etwa auf ein ordentliches Niveau heben zu wollen. Nein – wie unsere Altvorderen sagen würden – er setzt auf einen Schelm anderthalbe. Wenn da ein Kleid eine große Schleife benötigt, dann wird die Schleife noch ein bisschen größer gemacht – wie er selbst sagt: „Es soll zu schön sein, um wahr sein zu können“. Dabei scheut er nicht davor zurück, alle möglichen Versatzstücke in seiner Inszenierung zu vereinen, was teilweise im Stück bereits angelegt ist, teilweise aber auch Regie-Zutat sein könnte: den Onkel/Vormund, der sein hübsches/reiches Mündel bewacht, gab’s schon bei Molière und Beaumarchais; die beiden Studenten könnten - samt kompletter Fin-de-Siècle-Ausstattung - aus Oscar Wildes „Bunbury“ stammen (man beachte Wildes Originaltitel: „Wie wichtig es ist, ernst zu sein“), das wenige Jahre nach „Charleys Tante“ entstanden ist. Henry Klinder könnte auch als Oberst Pickering, wenn schon nicht in Shaws Original, so doch in „My fair Lady“ auftreten. Ja, und die Sache mit dem Cross-Dressing ist ja ohnehin ein altes Erfolgsmodell: von „Some like it hot“ bis Conchita Wurst. Schon Shakespeares – der ohnehin reichlich zitiert wird – hatte in seinen schönsten Komödien beschrieben, wie – vom Ardenner Wald bis Illyrien – gendermäßig falsch Verkleidete so manche Liebesverwirrung auslösen. Kurz: Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode. - Ein Vor-Weihnachtsgeschenk also ans Publikum. Und ein Vor-Weihnachtsgeschenk ans Ensemble, das hier so richtig glänzen kann (ohne dass hier Einzelne herausgehoben werden sollen – schauen Sie einfach unten auf der Besetzungsliste nach, und glauben Sie: die glänzen alle!)"
(kulturinfo-lippe.de)