"Am Strand der weiten Welt"

(Simon Stephens)

Landestheater Detmold
Bühne und Kostüme: Petra Mollérus
Harfe / Improvisation: Milena Hoge
Darsteller: Stephan Clemens, Thomas Ehrlichmann, Markus Hottgenroth, Wenja Imlau, Henry Klinder, Kerstin Klinder, Natascha Mamier, Lukas Schrenk, Nicola Schubert, Adrian Thomser
Premiere: 19. Mai 2017

Ein Familiendrama. Im Zentrum steht ein Wert: das Dasein. Die Zerbrechlichkeit von Glück. Der Schmerz des Verlustes. Das Wunder der Nähe. Die Sehnsucht nach dem Gelingen von Beziehungen - das ist es, was alle Figuren verbindet. Ein empathischer Theaterabend: ein Abenteuer der Stille und der Sorgfältigkeit des Erzählens.

"Simon Stephens’ Dialoge sind stark – gerade weil sie ohne allzu viele Worte auskommen. Regisseur Martin Pfaff und seine Darsteller setzen auf zarte, aber sprechende Gesten, eine Handbewegung nur, und doch ist alles klar. Dass die Gesten wirken können, dafür sorgt Ausstatterin Petra Mollérus mit einem überaus reduzierten Bühnenbild. - Ein paar Stühle, ein Stapel Paletten mit Dosenbier und eine weiße Stoffbahn, die der Bühne Weite gibt, die hier auch Haltlosigkeit bedeutet: Das reicht. Nichts, was vom Tun der Schauspieler ablenken könnte. Und die leisten Grandioses an diesem Abend. Über mehr als drei Stunden reine Spielzeit erhalten sie im Alleingang die Spannung aufrecht. - Und Pfaff hat den perfekten Umgang mit dem Stoff gefunden: Er bleibt zu jedem Zeitpunkt im Moment. Im Moment, der jetzt ist und durchlebt werden will. Aus solchen Momenten setzt sich das Leben zusammen. Das endlos scheint, aber doch – nichts ist sicherer – enden wird. Auch diese Endlichkeit schwingt mit, in jedem Moment. Harfenistin Milena Hoge entlockt ihrem himmlischen Instrument irdische Klänge, vermittelt zwischen den Welten, auch zwischen Resignation und Hoffnung. (…) Chapeau an das gesamte Ensemble! "
(Lippische Landeszeitung)

"Wie Wenja Imlau in der ersten Szene unaufhörlich die Nähe zu Lukas Schrenk sucht, wie sie alles daransetzt, ihn zu lenken, wie er sich versteift und sich ihr wieder und wieder entzieht, hat fast schon etwas von einem Tanz. Die Choreographie ihrer Bewegungen erzählt auf eine unspektakuläre und doch poetische Weise von den Sehnsüchten und den Unsicherheiten der Jugend, von Ungeduld und Angst, und gibt damit den Ton der Inszenierung vor. Ihr ewiges Pas de deux von Nähe und Distanz, von Zärtlichkeit und Zurückweisung, ist eben nicht nur Ausdruck ihres Alters. Es prägt ebenso die Beziehung von Alex’ Eltern Alice und Peter wie die von seinen Großeltern Ellen und Charlie. (…) Pfaff weicht den Fallstricken des Stücks geschickt aus. Das übergeordnete Konstrukt bleibt im Hintergrund. Der Fokus liegt ganz auf den einzelnen Szenen, in die sich das Ensemble rückhaltlos hineinfallen lässt. So entstehen ungeheuer eindringliche Miniaturen, in denen kleine Gesten mehr als tausend Worte erzählen. (…) Natascha Mamier wischt sich daraufhin ganz beiläufig den Mund ab. In einer späteren Szene gibt sie Peter dann den Kuss, den er von ihr fordert, allerdings mit einer solchen Gewalt, dass er fast einem Schlag gleicht. - Es ließen sich noch zahlreiche Szenen wie diese aufzählen. Immer wieder gelingen allen Schauspielerinnen und Schauspielern Momente von überwältigender Eindringlichkeit und Natürlichkeit. Kaum etwas ist schwerer, als Leid und Trauer auf der Bühne darzustellen. Wie schnell werden Gesten zu groß und Schreie zu laut, aber nicht in dieser Inszenierung. Lukas Schrenk, Stephan Clemens und Natascha Mamier nähern sich dem Schmerz, den Alex, Peter und Alice nach Christophers Tod empfinden, auf unterschiedlichste Weise. Während Lukas Schrenk ihn in seinen roboterhaften Bewegungen auszublenden scheint und Stephan Clemens in seinen emotionalsten Momenten wie gelähmt wirkt, ertrinkt Natascha Mamiers Alice in ihrem Leid regelrecht. Wie die drei um ein Leben nach dem Verlust ringen, hat dabei etwas Karthatisches. Dass das Leben weitergeht, ist eben nicht nur eine Platitüde. "
(nachtkritik)