"Das Andalusische Mirakel"

(Lars Albaum und Dietmar Jacobs)

Grabbe-Haus / Landestheater Detmold
Bühne: Hans-Günther Säbel
Kostüme: Thorsten Rauer
Darsteller: Hartmut Jonas, Kerstin Klinder, Robert Oschmann, Joachim Ruczynski, Karoline Stegemann
Premiere: 30. September 2015

Eine Komödie zur Spielzeiteröffnung. - Borniertheit wohin man schaut. Materialismus als Konsens. Egoismus-Battle. Crash der unterschiedlichen Lebenskonzepte. Provinzielles Denken aller Orten. Glaubens-Fundamentalismus. Nationalismus-Starre. Wenn man so will: eine Farce über Europa.

"Hubertus Heppelmann, größter Toilettensitzfabrikant Nordwest-Europas, hat seinen 25. Hochzeitstag vergessen; dem daraus resultierenden Ehestreit entflieht er nach Spanien, um seinen dort urlaubenden Anwalt mit der Scheidung zu beauftragen. Eine Autopanne hält ihn im öden Provinzkaff San Miguel fest, und das, wo ihm die spanische Lebensart doch ein Gräuel ist. (…) Als erstes dürfen wir uns also über den deutschen Spießer amüsieren, was wir natürlich mit großem Vergnügen tun, umso mehr, als wir – also ich, und wahrscheinlich auch du – diesem Klischee ja so gar nicht entsprechen! - Und das spanische Hotelzimmer (das Hans-Günther Säbel ohnehin nicht standesgemäß eingerichtet hat) muss dieser Heppelmann dann auch noch mit einer jungen Frau teilen. Zwei Universen stoßen heftig aufeinander: der mit sich und der Welt unzufriedene, zynische, bärbeißige 50jährige, der nach 25 Ehe nur noch eines will: die Scheidung. Und Nelly, die lebensfrohe, notorisch gutgelaunte 20jährige Studentin, die völlig von der ersten Euphorie der ganz großen Liebe getragen wird. - Zwei wahre Paraderollen! Für Joachim Ruczynski und Karoline Stegemann! Man könnte den beiden stundenlang zusehen, wie sie sich so aneinander abarbeiten! Aber dann rotiert diese Komödie nochmal um 180 Grad weiter! Es ereignet sich das andalusische Mirakel, das Wunder von San Miguel: Die Körper von Hubertus und Nelly werden vertauscht. Schon als Zuschauer ist man irritiert, wenn aus der hübschen, blondgelockten 20jährigen plötzlich der alte Griesgram spricht; wenn der graubärtige Klodeckelfabrikant nunmehr zum mentalen Gutmenschen mit Herz fürs Kuscheltierchen wird … Wie wird das dann erst für die Betroffenen sein? (…) Kein auch nur ansatzweise erfahrener Boulevardtheatergucker wird sich wundern, wenn jetzt auch noch Ehefrau Edelgard Heppelmann und Nellys Lover Benny auf der Bildfläche erscheinen! Nötig wäre das nicht unbedingt gewesen. Das Besondere, das Originelle dieser Geschichte hat sich vor der Pause abgespielt. Jetzt haben wir noch einen Rest recht konventioneller Verwechslungskomödie. Die sich am Ende NATÜRLICH in ein doppeltes Happy End auflöst. Boulevard-Routine halt. – Doch halt! Echt schade wäre es gewesen, wir hätten diese beiden Figuren nicht auch noch kennengelernt! Robert Oschmann als jugendlich-naiver Sex&Drugs&Rock’n’Roll-Hedonist und Kerstin Klinder, die - in gewohnter Souveränität - ihre Silberbraut zwischen Wut, Verzweiflung und (vom Schutt der 25 Jahre fast verschütteter) Liebe changieren lässt! Herrlich! - Nicht zu vergessen: Hartmut Jonas als Juan, der wundergeile spanische Zimmerkellner aus dem Bilderbuch. Und das ganze Publikum, das mit Grillengezirpe, Kastagnetten-Geklimper und Olé-Ausbrüchen die spanische Folklore beisteuert … (…) - Fazit: Das Premierenpublikum war begeistert. Verständlich! Insgesamt: ein herrliches Vergnügen! Das kann ja heiter werden, wenn sie Saison so weitergeht! - PS: Im Vorfeld hatte mich ein bisschen gewundert, dass diese eher leichte Komödie von Martin Pfaff inszeniert wird – könnte man doch erwarten, dass der frischgebackene Detmolder Schauspieldirektor die „Ära Pfaff“ mit einem schwergewichtigeren „Paukenschlag“ eröffnet hätte, zumal er kürzlich in einem Interview Goethe als seinen Lieblings-Theaterdichter bezeichnet hat – auch wegen dessen „unglaublich modernen Figuren in ihrer Zerrissenheit“ – da wäre doch der „Faust“ genau richtig gewesen! - Seine Begründungen klingen aber einleuchtend: Unter anderem wehrt er sich gegen die Abwertung der Komödie – die sei, im Gegenteil, „die Königsdisziplin für einen Regisseur. Sie muss ganz ernsthaft erzählt sein.“ Ja! Und das hat er hier doch ganz gut hingekriegt! - Weiter: „Dabei muss man die Figuren liebevoll behandeln ...“. Und damit kommt Pfaff zu einer weiteren Begründung: Für den Hauptdarsteller, Joachim Ruczynski, wird diese Inszenierung zu einer Art Abschiedsvorstellung, da er am Ende der Spielzeit das Landestheater verlassen wird. Pfaff: „Da will ich es mir nicht entgehen lassen, mit diesem tollen Schauspieler noch einmal intensiv zu arbeiten“ – ich finde: die sympathischste der drei Begründungen. Auch für mich wäre die – womöglich letzte – Gelegenheit, Joachim Ruczynski in einer Hauptrolle zu erleben, Anlass genug für einen Besuch dieser Inszenierung gewesen."
(kulturinfo-lippe.de)

" „Das Andalusische Mirakel“ hat auf der kleinen Bühne des Landestheaters eine rasante Premiere hingelegt. Komödie und Inszenierung sind ein ausgekochter Spaß mit Verwirrspiel-Potenzial, und beide sind verflixt gut gemacht. (…) Der Plot ist albern bis absurd – großer Blödsinn, den Marin Pfaff als Riesen-Gaudi auf die Bühne bringt. Er überzeichnet so gnadenlos wie gekonnt und gibt ein flottes Tempo vor, was den spritzigen Dialogen zusätzlich Tempo verleiht. Chapeau für die Schauspieler, die hochkonzentriert bei der Sache sind (…). Das Prinzip ist einfach, die Umsetzung prima, das „Mirakel“ macht gute Laune. Allerdings Mitfeiern ist angesagt – auch für die Zuschauer, die sich alsbald in der Partie der feurigen, spanischen Dörfler wiederfinden."
(Lippische Landeszeitung)