"Ich sitze wie unter einer Luftpumpe. Die Luft so scharf und dünn, dass mich friert." Platzangst in der Druckkammer der maßlosen Freiheit.
- Der König ist tot, es lebe das Geld. - Prinz Leonce vom Reiche Popo lebt in einem selbstgefälligen Staat, der sich mit letzter Müdigkeit
noch mit herbeigefaselten, abendländischen Werten als ein gerechtes Gemeinwesen zu gebärden trachtet. Währenddessen aber weiß eigentlich
ein jeder, dass lediglich ein Gesetz den Handlungsrahmen aller bestimmt: das persönliche Glück. Im aufgepfropften Hochzeitsplan von König
Peter, dem Vater des Prinzen Leonce, verheddert sich das monotone Werte-Leerband des Alltags. Der Vater will nichts als die schnelle
"Firmenübernhame" durch seinen Sohn und seine Abdankung von allen erschöpfenden Staatsgeschäften. Der Sohn weiß allein, was er nicht will:
in die väterlichen Fußspuren der Gleichgültigkeit treten. Ähnlich ergeht es Prinzessin Lena vom Reiche Pipi. Nur dass sie im Gegensatz
zu Leonce ein ganz genaues Ziel hat: ihren (naiven) Glauben an die wahre Liebe. Allerorten der Wunsch nach Flucht. Sei es vor der
Verantwortung, vor der Gewalt der banalen Alltags-Spielregeln, vor der Angst, im Vakuum einer sinnlosen Welt zu ersticken, oder ganz
einfach vor sich selbst und seinen eigenen verknäulten Ungeklärtheiten. Wo kann man notlanden mit seiner Sehnsucht und seinem Vermissen?
Diesen manischen Blindflug verfolgt die Inszenierung.
"In der Inszenierung von Martin Pfaff erlebte Georg Büchners Schauspiel "Leonce und Lena" am Mittwoch seine emotional geladene,
teils poetische und auch witzige Premiere. Pfaff hat das Personal kräftig reduziert, hat zudem Büchners Text gestrafft und zeichnet so
ein 90-minütiges, intensives Psychogramm. (...) Eine gute Portion Null-Bock-Stimmung, viel innere Rastlosigkeit und jede Menge wütende
Verzweiflung: Mit aggressiver Intensität bringt Dominic Betz Leonces Leiden an der Welt auf die Bühne. (...) Die teils minimalistischen
Dialoge, die filmschnellen Szenenwechsel finden ihre optische Entsprechung in Michael Engels bestechendem Bühnenbild. Der zentrale
Glaspavillon ist mal Treibhaus für die Gefühle des im eigenen Saft schmorenden Leonce, mal futuristisch-verträumtes Zeitreise-Raumschiff
in Leonces Rückblicks-Sequenz auf Rosetta, die übrigens zwar gleich dreifach, aber nur als stummes Erinnerungsbild auftaucht. Geradezu
zauberisch der Schnee, der als Sinnbild fürs Verlorensein, für Orientierungslosigkeit steht und mit Ebenen und Tiefen spielt. (...) Will
Leonce auf Dauer wirklich mitmachen in dem Spiel, dem sein Vater durch Übertragung der Amtsgeschäfte auf ihn soeben glücklich entronnen ist?
- Nein, Pfaff inszeniert kein Happy End, er läßt der Zukunft Raum - sowohl den Wunschtrtäumen als auch den möglichen Enttäuschungen."
(Lippische Landes-Zeitung)
"Dem Schicksal ist offensichtlich, so scheint es, so leicht kein Schnippchen zu schlagen. Das Land, in dem Leonce und Lena die Liebe ereilt,
ist Italien. In dieser Inszenierung ein kaltes Land, in dem es unaufhörlich schneit. Martin Pfaff hat dieses Stück, das von seinen
brillianten Dialogen lebt, höchst unverkrampft vergegenwärtigt. Rosetta hat er als konkrete Person aufgehoben und in die Innenwelt
von Leonce verlegt. Balletttänzerinnen erinnern nur noch von fern an ihre leibhaftige, leichte Existenz. (...) Dem Publikum, als
Jubelvolk angesprochen, attestierte der Staatsminister, dass es sich gut halte, kein Wunder, denn es konnte sich über eine gut gelungene
Inszenierung, die die Doppelbödigkeiten dieses Stücks auslotete, herzhaft amüsieren."
(LIPPE aktuell)
"Martin Pfaffs Inszenierung mit nahezu existentialistischer Rigidität (...) - angry young man schon im 19. Jahrhundert."
(Radio Aktiv)
Der Schauspieler Dominic Betz wurde von der "Neuen Westfälischen Zeitung" für seine Verkörperung des Leonce ausgezeichnet.
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