Eine theatrale Kurzgeschichte in zwei Szenen. Einblicke in Realitätsausschnitte auf der Kippe. Im szenographisch fokussierten
Realraum der Seitenbühne nehmen die Zuschauer zunächst teil an dem Warten auf das Erscheinen der Sängerin der Königin der Nacht
in ihrer Garderobe und die (fast religionsersatzartígen) Erwartungen an ihre 222 Vorstellung als "Koloraturmaschine". Sprach- bzw.
trinkexzessiv wird die Möglichkeit verdrängt, dass das erlösende "Kunstgeschöpf" nicht eintreffen könnte. Im 2. Teil gesellt sich
das Publikum im Halbkreis der angeordneten Stühle um den Tisch der Sängerin bei der Feier nach der Vorstellung. Die wieder
einsetzenden und sich steigernden Feststellungen der Krise mit ihrer Tätigkeit, die ihr Leben definiert, schäumen über. Als lüden
sich einerseits Sisyphos-Aggregate dyonysisch wieder auf, um den nächsten Vorstellungstag in Spannung zu bringen.
Als würde andererseits untersucht, ob nicht vielleicht noch eine andere Wahrheit existiert jenseits von hochkulturellem
Kampf gegen Dunkelheit, Verlorenheit und Schwäche.
"Thomas Schneider, in der Rolle des Doktors, sitzt vor den schönen, alten Fensterbögen des Osnabrücker emma-theaters und artikuliert
genüsslich die endlosen Bernhard-Monologe, als führe er ein Sezierbesteck im Munde. Konsonanten setzt er spitz und präzise wie
kleine, gezielte Einstiche, kluge Formulierungen durchknetet sein Sprachapparat zu ihrer Bestform. (...) Thomas Schneider verkörpert
mit wohldosierter Gestik und kraftvoller Sprache vorbildlich jene Kunstfigur, die Bernhard und Gastregisseur Martin Pfaff vorschwebte.
(...) Längst beten Vater und Tochter brav des Doktors so einfühlsame Hassvokabeln auf Kunstbetrieb, Karriere und Kindesliebe nach.
Doch wenn Natascha Mamier, zu Gast in der Rolle der Königin der Nacht, inniglich ihren Papa Johannes Bussler kost, strafen
ihre Worte sie Lügen. Wenn sie dann viel zu spät zum Auftritt hastet, treiben sie die ätzenden Worte des Mediziners vom
„Theater, insbesondere der Oper als der Hölle“ fast ins Scheitern, nicht das unter dem Ärmel reißende Kleid. Sprachbegriffe betreiben
bei Bernhard eine negative Selbstfestlegung – wenn das so hübsch turbulent und ambivalent in Szene gesetzt ist wie hier,
dann entfaltet auch dieses recht abstrakte Bernhard-Stück seine Tragikomik. (...) Etwa wenn Johannes Bussler mit leiser Ironie
das Begriffsbesteck des Arztes infrage stellt und dabei vorzüglich den blicklos schweifenden Blick des Blinden imitiert.
Oder wenn Rosemarie Fischers Kellner Winter mit Schnurrbart und Grauschopf sich still und leise vervierfacht. Wunderbar komisch
gebrochen auch Natascha Mamiers Königin der Nacht: Hinter dem strahlenden Lächeln ihrer Operndiva lauerten gut sichtbar
Trauer und Tränen. Doch im nächsten Moment gibt sie wieder ungerührt volltönende Koloraturen von sich."
(Neue Osnabrücker Zeitung)
"Die Inszenierung von Martin Pfaff hellt die totale Finsternis auf, zeigt Verzweiflung, Verflechtung der Figuren
und Wiederholungszwänge. Thomas Schneider (bewundernswert!) ist in der Flut der Texte immer bei sich. Mit kühler, gelackter
Eleganz gibt Natascha Mamier die "Königin der Nacht". Rosemarie Fischer (erst Frau Vargo, dann Kellner Winter) bringt verbindende
Lakonie in beiden Szenen - die Multiplizierung des Kellners ist ein witziger Schachzug."
(Osnabrücker Nachrichten)
"Thomas Bernhards Stück wird in Osnabrück zu einer aufwühlenden psychologischen Studie. – „Worte sind bedeutungslos“, singt
die Opernsängerin und beklagt damit ihr Schicksal, nur als Koloraturenmaschine gesehen zu werden. Als sie die Zeile aus „Enjoy
the Silence“ von Depeche Mode haucht, ist sie am Ende ganz Mensch. Es ist ihr Abschied von der Bühne, wo nur akrobatische
Noten-Abfolge zählt und nicht mehr der Inhalt: „Words are very unnecessary“ (Worte sind völlig unnötig). Indem Regisseur Martin
Pfaff im Osnabrücker Emma-Theater „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ mit diesem Pop-Song enden lässt, vertieft er die
psychologische Dimension des Werkes. (…) Nach der Opernaufführung sitzt das Trio im Restaurant und lästert über die Oper,
das Publikum und den Dirigenten. Nun beschließt die Sängerin ihre weiteren Termine abzusagen. Eine Leinwand fährt zwischen
den dicht an der Bühne sitzenden Zuschauern und den Akteuren herab. Das weitere Geschehen wird auf die weiße Fläche projiziert.
Schließlich flüchtet die Königin der Nacht ans Klavier. Im Licht einer Kerze stimmt sie das Depeche-Mode-Lied an.
Mit emotionsreichem Einfühlungsvermögen gelingt Natascha Mamier in der Rolle der Sängerin die Entwicklung vom eitlen Star zum
verletzlichen Opfer der Bühnenmaschinerie. (...) Eine in aufwühlender Einfühlsamkeit mündende Inszenierung!"
(Münstersche Zeitung)
"Der Regisseur traf bei seiner Inszenierung eine ideale Wahl, Osnabrücks Faust-Darsteller in der Rolle des Doktors zu besetzen.
Thomas Schneider nämlich bringt erneut eine schier wahnsinnige Textflut über die Lippen, die den Zuschauern im emma-theater den
Atem raubt."
(Syker Zeitung)
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