Nietzsches letzte Lebensstunde. Vor seinem inneren Auge läuft der Film des eigenen Lebens noch einmal ab. Wie in einem unruhigen Traum. Im wirren Kopf des Philosophen umkämpfen die Schwester Elisabeth und sein Geist Fritz die Frage: Wer hat recht? Ordnung oder Chaos? Grenze oder Freiheit? Bejahung oder Verneinung?
"Persönliche, tiefenpsychologisch bedeutsame Lebensstationen spiegeln sich stetig in diesem Kampf der beiden Dimensionen. Besonders viel Zeit nimmt die Aufarbeitung privater Scharmützel zwischen Friedrich/Fritz und Elisabeth ein. Da geht es in einer durch stürmisches Drehen der Vitrine plastisch dargestellten inneren Raserei um sein explosives Verhältnis zu Richard Wagner, seine ebenso leidenschaftliche wie erfolglose Schwärmerei für Lou von Salomé oder das Verhältnis der Geschwister zur Mutter. Einmal wirkt Nietzsche sogar urplötzlich komplett genesen und spaziert vergnügt durch Naumburg. In Kombination mit Betty Wirtz als Puppenspielerin, die dem wild räsonierenden Fritz durch expressive Intonation und variantenreiche Gestik eine Seele verleiht, erzeugt dieses siebzigminütige Gewimmel eine nebulöse Traumlandschaft. - Auf Authentizität hat es Regisseur Martin Pfaff ohnehin nicht abgesehen. Davon zeugt zum einen die betonte Überhöhung von Kostümen und Maske. Wenn sich Elisabeth beim eifersüchtigen Wüten gegen Lou mal eben als Monster maskiert oder Friedrich sich den typischen Schnauzer abreißt und ihn seinem anderen Ich aufsetzt, dann wird damit dem Abend geradezu ostentativ jede reale Ebene entzogen und stattdessen ein assoziatives Feuerwerk gegeben. Ähnlich verhält es sich beim Umgang mit den historischen Fakten. Weder starb Nietzsche in Naumburg, noch konnte er im Endstadium gehen oder gar sprechen. Sei's drum: Wenn der Gnom im Glaskasten mit seinem geisteskranken Ich heftig kopuliert oder sich von diesem wie ein Baby zärtlich wiegen und streicheln lässt, während er selbstsicher aus dem eigenen Œuvre zitierend die Umwertung aller Werte fordert, dann lässt sich die intellektuelle Wucht seiner Ideen anschaulich erahnen."
(nachtkritik)
"Im ersten Moment stockt dem Zuschauer im Theater Naumburg angesichts der Ähnlichkeit der Atem. Hinter einer Glaswand mehrreihig aufgefädelter Textblätter taucht ein Gesicht auf: der alternde Friedrich Nietzsche, gespielt von Holger Vandrich. Von seiner geistigen Umnachtung gezeichnet, reißt Nietzsche die Blätter nieder und gibt so den Blick in jene glastürige Kammer frei, in der er seine letzten Lebensstunden größtenteils dahindämmert. Schwankend kritzelt er auf die Glastür „Ecce homo“. „Siehe, der Mensch“. Genau das bekommt der Zuschauer zu sehen: den Menschen Nietzsche. (...) Da geht es mit eingespielten Fotos auf einen Stadtrundgang durch Naumburg, wird das Verhältnis zur Mutter gestreift und spielt immer wieder seine Beziehung zu Wagner und seine unerfüllte Sehnsucht nach Liebe ein wesentliche Rolle. (...) So ist das von Regisseur Martin Pfaff grotesk umgesetzte und von den Darstellen mit beachtenswerter schauspielerischer Leistung aufgeführte Stück eine Hommage an den Philologen."
(Naumburger Tageblatt)
"Es gibt keine gradlinige Handlung, keine biografische Skizze, sondern ein vielfältiges Puzzle aus Erinnerungen, Assoziationen, Gedanken, Philosophien. Neben der Doppelfigur Nietzsche ist dessen Schwester Elisabeth (Katja Preuss) die Dritte im Bunde. (...) Dieses Dreiecksspiel – Elisabeth spricht mit der Puppe über die Verehrung für und den Bruch mit Wagner, über die Familie, über Lou von Salomé, während Holger Vandrich als Nietzsche stumm dieser Welt schon entrückt scheint – ist reizvoll, weil immer wieder variiert. - Mal schmiegt sich die Puppe an Nietzsche, mal streicht er ihr vorsichtig die Hand, mal kann der Puppen-Geist fliegen, dann wieder doziert er wie ein altkluges Kind. Musik setzt Martin Pfaff in seiner Inszenierung nur sehr sparsam ein und wenn dann Nietzsche über Kopfhörer Wagner-Klänge hört, wankt er auf seinem Stuhl hin und her, wie verzückt und zugleich wie unter einer schweren Last."
(Die Deutsche Bühne)
"Es ist ein textgewaltiger und darum sperriger, aber packender (und glänzend gespielter) Versuch, das letzte Aufbäumen eines Riesen zu rekonstruieren."
(Nordbayerischer Kurier)
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