Der moralische Waschgang des General Harras wirkt stärker und zynischer auf die Jetztzeit ein,
als uns Nachgeborenen der Nazi-Zeit vielleicht lieb ist: Wie kann man sein dem Hedonismus und der
Selbstverwirklichung verschriebenes Dasein genussvoll ausleben, während man weiss, dass dieses
Glück auf Ungerechtigkeit und Unterdrückung anderer basiert? Wie leben wir denn?
Der Arbeitsansatz: "Des Teufels General" bewusst ins Heute zurück schwappen lassen. Kein
tröstendes, aufbauendes Stunde-0-Historiengemälde nachzeichnen mit einem kumpelhaft-väterlichen
General, sondern einen (alptraumartigen) Spiegel errichten. Im Zentrum: ein junger (erfolgreicher,
schöner) Harras, der alles hat: ausser Sinn. Sein Fall: eine borderlinige (verzweifelt-feige)
Verausgabung an Selbstanklage.
"Eine Inszenierung, die trotz einiger Streichungen am Original überzeugt.
Regisseur Martin Pfaff verzichtet auf Knalleffekte. Es gibt kein Pathos, keine Schnörkel,
die Inszenierung ist einfach geradeaus, auf das Wesentliche konzentriert. Und das überzeugt,
regt zum Nachdenken an, lässt uns alle unsere scheinbar so feststehenden moralischen Ansprüche
überprüfen. Es ist der Abend des Matthias Deutelmoser, der glaubhaft die Wandlung des Harras vom
saufenden, frauenverschlingenden Hallodri zum nachdenklichen, von Angstzuständen gepeinigten
Menschen darstellt. Von daher ist dieses Theater schon wieder eine moralische Anstalt."
(Saarländischer Rundfunk)
"Martin Pfaff lässt Harras in seiner gelungenen Inszenierung nicht so leicht davon kommen.
Dieser General des Teufels hat nicht die melancholische Gutsherren-Aura Curd Jürgens',
dem bekanntesten Harras-Darsteller in der Verfilmung von 1955, die gut passte ins
Rechtfertigungs-Kino ihrer Zeit: Hier die missbrauchten Offiziere edelster Gesinnung, dort,
in Berlin, die bösen "Bonzen". In Saarbrücken spielt Matthias Deutelmoser Harras mit manischer
Energie, fährt sich nervös durchs Haar, blickt mit aufgerissenen Augen in die Szenerie, schwenkt
die Hüften, sächselt und spricht Schweizerdeutsch in einem Satz. Äußerlich souverän, innerlich
ein Getriebener. (...) Regisseur Pfaff vermeidet optische Bezüge zum Dritten Reich. Sphärische
Musik von Stefan Pinkernell unterlegt manche Szenen mit Unbehagen, einmal schreitet die
nationalsozialistisch wie erotisch hochaktive Waltraud von Mohrungen (Sophie Weikert)
im Abendkleid über die Bühne, begleitet von Rockmusik - wie ein Todesengel auf dem Laufsteg,
Symbol einer Versuchung, der Harras nichts entgegenzusetzen hat. Von einer Heldenfigur, die zu
Beginn "Flieger, grüß mir die Sonne" singt, bleibt am Ende nur ein Gehetzter, der in Hysterie
zugibt, dass er letztlich nur sich selbst geliebt hat."
(Saarbrücker Zeitung)
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