"Diener zweier Herren"

(Carlo Goldoni)

Hoftheater / Landestheater Detmold
Bühne und Kostüme: Ines Alda
Darsteller: Robert A. Augustin, Stephan Clemens, Christoph Gummert, Markus Hottgenroth, Kerstin Klinder, Jakob Köhn, Recardo Koppe, Martin Krah, Ewa Rataj, Jenny-Ellen Riemann, Joachim Ruczynski
Premiere: 8. Juni 2012

Chaos in Venedig. 10 Egoisten jagen nach dem Glück. Ein Wimmelbild von Neurotikern. Alle sind eitel, verschlagen und unersättlich. Alle sind getrieben von GIER – nach Geld und Status (Pantalone, Clarice, Dottore, Brighella), nach Anerkennung (Silvio), nach Freiheit (Beatrice, Florindo), nach (Über-)Leben (Truffaldino, Smeraldina, Koch), nach Liebe (alle). Alle Bedürfnisse jagen durcheinander, kollidieren, gefährden und entzünden sich. Die komödiantisch-melodramatische Frage des Abends: Gibt es (k)eine gemeinsame Richtung?

„Goldonis "Diener zweier Herren" vor begeistertem Publikum. – Dass die Bühne eigentlich keine solche ist, sondern eher einem kniehohen Laufsteg gleicht, der um die Zuschauerreihen herum und zwischen ihnen hindurch führt, verändert die Sicht auf das Geschehen nicht nur perspektivisch. Denn die Schauspieler sind dadurch nicht mehr "die da oben", sondern, so mittendrin, fast auf Augenhöhe mit dem Publikum. – Und mit der räumlichen Distanz sinkt zugleich der Respekt. Das ist gut so, weil es die Interaktion forciert: Nicht nur als eine Dame von ihrer Sitzbank aus das Vorhaben des Silvio, seine Geliebte zu töten, mit den Worten "Überleg dir das noch mal!" kommentiert, erweist sich dieser Umstand als erheiternder Bestandteil. Auch bringt der ungewöhnliche Bühnenaufbau viel Bewegung und Tempo: Die Szenerie wirkt oftmals viel lebendiger, als dies auf einer klassischen Bühne sein könnte. So wird die Belastung Truffaldinos durch seine Doppelbeschäftigung erlebbar, wenn der bemitleidenswerte Diener von einer Bühnenseite zur anderen hetzen muss, um die Wünsche seiner Dienstherren erfüllen zu können. Und in der Szene, in der Gemüse und Obst über die Zuschauerköpfe hinweg fliegen, wird der Schwung des Stückes greifbar. (...) Die Romantik bleibt so zwar auf der Strecke, doch das äußerst lustvolle Spiel des gesamten Ensembles sichert, dass die Premiere des Commedia-dell’arte-Klassikers großartig beim Publikum ankommt. – Herausragend ist die Leistung von Robert Andrej Augustin, der den Truffaldino derart überzeichnet, dass Mimik und Gestik manchmal wie aus einem guten Comic geschnitten wirken. Ein Liebling der Zuschauer ist auch Recardo Koppe in der Rolle des "Silvio": Er gibt einen weinerlichen Verlierer – der offenbar prächtig als Identifikationsfigur taugt.“
(Lippische Landes-Zeitung)

„Woher kommst du, wohin gehst du und was willst du. (...) Ein Diener dient zwei Herren um mehr Geld zu bekommen und tut das gleichzeitig und entsprechend heimlich. Der eine Herr ist auf der Flucht, er hat den Liebhaber des anderen Herren erdolcht, wobei jener – man ahnt es schon – kein Herr ist, sondern eine Dame die sich als Herr verkleidet hat. Nicht Rache treibt die Dame von Venedig nach Turin, sondern Liebe zum Mörder ihres Bruders. Darauf wäre man zugegebener Weise nun nicht gleich gekommen. Eigentlich sucht die Dame den anderen Herren namens Florindo Aretusi (Martin Krah), muss aber noch so tun, als wolle sie Clarice heiraten, um sich die Mitgift der Braut ihres verstorbenen Bruders zu sichern – es ist also alles ganz normal. (...) Diener Truffaldino wurde von Robert Augustin in Szene gesetzt wie eine Mischung aus Nurejew und Küchenquirl. Seinem Charme konnte man nicht widerstehen. Recardo Koppe mutierte als vorübergehend kaltgestellter Verlobter Silvio von der Heulsuse zum Werwolf und wieder zurück – das Publikum zog die Kapuzen hoch, um seinem Geifer zu entgehen. Markus Hottgenroth als Pantalone erinnerte irgendwie an einen Bösianer, nein, falsch, an einen Börsianer und der nach Commedia dell’arte-Art immer unnütz kluge Dottore (Stephan Clemens) begnügte sich damit, verdammt gut auszusehen. Das gemeinsam mit Brighella (Joachim Ruczynski) – wer hat der hat, nur kein Neid. (...) Ewa Rataj (Beatrice) darf eine Stimme ihr eigen nennen wie die Schlange im Paradies – einfach verführerisch. Sie riss sich später die Kleider vom bildschönen Leib und das war dann für einige Herren mit begeistert aufgerissenen Augen gar nicht so lustig, denn als es richtig interessant zu werden versprach, hörte sie damit auf. Es gab herrliche Szenen, in denen Zeitlupesequenzen auf die Schippe genommen wurden, alles in allem war das Ganze angenehm klamaukig (...). Wenn man aber mal gar nichts erwartet und nichts genauer wissen will, wenn man einfach nur lachen möchte und staunen wie Schauspieler herumalbern und sich selbst nicht ernst nehmen, wenn man also nicht denken, sondern einfach nur blödeln möchte, dann ist diese Inszenierung genau das Richtige. - Das Publikum spendete lange freundlichen Applaus und ging fröhlich heim. Es war – trotz allem – ein schöner Abend. Und die W-Frage "Wozu" ließ sich am Schluss beantworten mit: Nur so. Weil es eben Spaß macht.“
(LIPPE aktuell)

"Herausragend ist die Leistung von Robert Andrej Augustin, der den Truffaldino als liebenswert-unverschämten Lebenskünstler spielt. Die Freilichtbühne im Rosengärtchen war eine Art Laufsteg, auf dem sich der größte Teil der Handlung abspielte. Dazu bezogen die Schauspieler den Zuschauerbereich mit ein und traten immer wieder in direkten Dialog mit dem Publikum. - Dass es ein köstlicher Spaß für die 400 Zuschauer wurde, ist der beherzten Inszenierung durch Martin Pfaff zu verdanken und dem hemmungslosen Spiel der Darsteller, die mit Wonne jede Figur bis zur Karikatur überzeichneten. Der ungewöhnliche Bühnenaufbau zwang die Darsteller zu Tempo. Dadurch wirkte das Geschehen weitaus lebendiger, als es in einer klassischen Kulisse daher käme. Das lustvolle Spiel des gesamten Ensembles blieb bis zum Ende spürbar und so gab es verdient starken Beifall."
(Gießener Anzeiger)