"Desperados – ein Western für ganz harte Männer"

(Martin Pfaff)

Grabbe-Haus / Landestheater Detmold
Bühne: Anja Kreher
Kostüme: Thorsten Rauer
Darsteller: Hubertus Brandt, Hartmut Jonas, Henry Klinder, Jürgen Roth, Lukas Schrenk
Premiere: 28. September 2016

Fünf Revolverhelden wollen ihre Ehre wieder herstellen. Aber der Ort scheint verschwunden, wo der verhasste Sheriff lebt. Nun heißt es ausharren und Nerven bewahren. Alle Männer warten. Und erleben sich selber so wie nie zuvor. Eine Geschichte über Zuneigung und Hass. Über Stärke und Schwäche. Über Einzelgänger und die Kraft der Gruppe. Ein Abend, der empfiehlt, das Lachen über sich selber zu lernen.

"Sie sind harte Kerle und kleine Jungs, erbitterte Rächer und gefühlvolle Lagerfeuer-Sänger, unbesiegbare Zocker und – das schlimmste Schimpfwort, das sich denken lässt in ihrem Universum –: Mädchen. Und sie verlieren reihum die Nerven. Eine liebenswerte Bande Desperados hat der Detmolder Schauspieldirektor Martin Pfaff auf die Bühne gebracht. - Am Mittwochabend hat er im Grabbe-Haus seine Uraufführung erlebt, der „Western für ganz harte Männer", den Martin Pfaff geschrieben und auch inszeniert hat. Der beginnt mit der Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod", unternimmt einen Abstecher an den „Fluss ohne Wiederkehr" samt Marilyn-Monroe-Song „River of No Return" und endet mit dem legendären Ritt in den Sonnenuntergang. - Ganz klar: Martin Pfaff lässt kein einziges Klischee aus – nur um das so zusammengezimmerte Western-Gebäude gleich darauf an allen Ecken wieder einzureißen. Dabei setzt er einerseits auf konsequente Überzeichnung und andererseits auf das Spiel mit Gegensätzen, mit dem Unerwarteten. Das Ergebnis ist komisch und dann wieder rührend, es ist grotesk und böse und schräg und cool und albern und total absurd. Ein hellsichtiger Schabernack. - Die fünf Desperados sind ins Wüstenkaff Desert Rock zurückgekehrt, wo sie ein Jahr zuvor eine bittere Schmach erlitten hatten. Nun wollen sie sich rächen an Sherriff Stalker, der ihnen damals übel mitgespielt hat. Blöd nur: Die Rachepläne laufen ins Leere, denn der Ort Desert Rock bleibt genau so verschwunden wie der Sherriff. Was bedeutet: Das Bühnengeschehen besteht im Wesentlichen aus Warten. - Dieses Warten gestaltet Martin Pfaff jedoch äußerst kunstvoll. So lässt er die fünf Desperados etwa minutenlang einfach da stehen und in die Ferne starren, irgendwo weit hinter den Publikumsreihen. Da mahlt ein Kiefer, da wandert ein Blick suchend den Horizont entlang, und im Hintergrund tickt hörbar die Zeit. Mehr passiert nicht. - Dass das zu keiner Sekunde langweilig wird, liegt natürlich vor allem an der starken schauspielerischen Leistung der Darsteller. Henry Klinder ist der Chef der Bande, Bill Magic, der seinem berüchtigten Renommée zum Trotz davon träumt, nie wieder schießen zu müssen. Sein Partner wie auch Gegenpart ist Jürgen Roth, Michael, „der Mann mit der gezinkten Visage", der den Desperados durch seine Schürzenjäger-Qualitäten den ganzen Ärger überhaupt erst eingebrockt hat. Findet Bill Magic. Und hält es ihm immer wieder vor. Worauf Michael „die Zwillinge, die niemals lachen" – Lukas Schrenk und Hubertus Brandt als Tim und Tom Adams – einmal mehr ermahnt, diesmal aber bitte ihre Pferde richtig anzubinden. Nicht wie seinerzeit... - Das ist das Stichwort für Sam Stomach – toll als Mann, dessen Zunge schneller ist als sein Colt: Hartmut Jonas –, dazwischen zu gehen und seine Kollegen mit abstrusen Theorien abzulenken. Ein ums andere Mal wiederholt sich dieser Ablauf mit den immer gleichen Sätzen: Wie das halt so ist in eingefahrenen Familienstrukturen und Beziehungskisten. Vieler Worte bedarf es nicht – das Wichtige passiert via Mimik und Gestik. - Gezielte Impulse setzen und der Fantasie der Zuschauer den Rest überlassen: Diese Technik beherrscht Regisseur Martin Pfaff perfekt. Genauso arbeitet Bühnenbildnerin Anja Kreher, die aus ein paar Versatzstücken ein authentisches Western-Szenario zusammengebaut hat. So sparsam sie mit den Requisiten auch umgeht, sie reichen doch mühelos, um im winzigen Grabbe-Haus die Weite der Prärie entstehen zu lassen. Und Torsten Rauer schafft das Gleiche mit seinen Kostümen: Cowboy-Hüte und Ledermäntel, das reicht völlig, zumal letztere bei jeder Bewegung nicht nur herrlich echt knarren, sondern auch intensiv nach Leder riechen. - „Desperados" ist ein Stück voll leiser, melancholischer Komik und eine Ansage gegen Gewalt in jeglicher Form. Üppiger Applaus für alle Beteiligten."
(Lippische Landeszeitung)